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Auch in diesem letzten Band des groß angelegten Romanwerks von Henry Roth steht Ira Stigman, inzwischen Senior Student am City College von New York, im Mittelpunkt. Meisterhaft beschreibt der Autor das qualvolle Erwachsenwerden seines Romanhelden, sein Hoffen auf eine Beziehung zu der um zehn Jahre älteren Literaturdozentin Edith Welles, deren Leben mit wechselnden Geliebten er schüchtern und leidend beobachtet. Edith, die ihn zur Literatur führt, sucht gleichfalls Iras Nähe, hält ihn jedoch für sexuell desinteressiert und unberührt. Sie weiß nichts von seinem schrecklichen Geheimnis: den jahrelangen Inzest mit seiner Schwester Minnie. "Requiem für Harlem" zeigt das Leben einer jüdischen Familie in Harlem, die Beengtheit der ärmlichen Wohnverhältnisse, die Unaufgeklärtheit der sich ständig streitenden Eltern, das Leben von Verwandten und Großeltern, die als erste Auswanderergeneration das Stetl mitten in New York etablierten. Unschwer ist in den Romanfiguren Roths eigene Familie zu erkennen: der Vater, Chaim Stigman, der als Kellner arbeitet und zur Gewalttätigkeit neigt, die leidende und nörgelnde Mutter und die über die Grenzen des Erlaubten hinaus geliebte Schwester. Der Autor erzählt das alles mit extremer Schonungslosigkeit, in einer Sprache, die bei aller fleischlichen Direktheit voller Poesie ist, gespickt mit jiddischen Brocken und Zitaten quer durch die Literaturgeschichte. Roth hat ein Werk hinterlassen, das die Grenzen der gesellschaftlichen Konvention eindeutig überschreitet, das, zugegeben etwas Erschreckendes und Schockierendes hat und doch als literarisches Meisterwerk bezeichnet werden kann. "Requiem für Harlem" ist der vierte und letzte Teil des vierbändigen Roman-Zyklus. Ein außergewöhnliches Werk, hervorragend übersetzt. Sehr zu empfehlen! Maria Lehner |
