Annotation |
Mit Witz und Tempo erzählt Stephan Reimertz die doppelbödige Überlebensgeschichte eines Jungen, der in den 70er Jahren in einer Familie aufwächst, die am Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik kräftig teilhaben möchte und gar nicht bemerkt, dass sie auf ihren Ruin zusteuert.Knapp 10 Jahre ist Oliver alt - und dennoch versteht er viel mehr, als seine Eltern ihm zutrauen. Er spielt Klavier und Cello, schreibt einen Indianerroman, bringt sich die ersten Englischkenntnisse bei und nimmt alles, was die Erwachsenen sagen, wörtlich. Wollen seine Mutter und sein Vater auf einen Ball gehen, dann sieht er sie eine runde Lederkugel hinabrutschen und böse aufschlagen. Er kann jedoch nicht ahnen, wie recht er mit seinen Gedankenspielen hat. Sein Held ist Muhammad Ali. Ihn liebt er, weil er unbesiegbar scheint, weil er den Kriegsdienst in Vietnam und der US-Gesellschaft den Kampf angesagt hat. Noch steht Oliver selbst nicht im gleißenden Licht des Rings, doch scheint auch für ihn der Kampf eröffnet: Offenbar wollen ihn seine Eltern um sein Erbe bringen. Oder übertreibt er? Was wirklich vorgeht, entzieht sich Oliver lange. Seltsam findet er, dass sein Vater sich häufig bei seiner Nachbarin aufhält, die er selber in seinen Tagträumen anschwärmt. Deren Mann ist doch vor einiger Zeit gestorben, und sein Vater, ein Spezialist für Herzerkrankungen, hat keinen Grund mehr für Hausbesuche. Auch will es ihm nicht in Kopf, warum seine Mutter unbedingt in Berlin wohnen möchte und sein Vater dort eine eigene Klinik aufbauen soll. Auf jeden Fall aber probiert er es mit dem Boxen, auch wenn sein Vater meint, dass er bestenfalls ein Papiergewicht sei.
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