Ein nützlicher Idiot

Wippersberg, Walter, 1999
Schulbibliothek LIBS
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Medienart Buch
ISBN 978-3-7013-0990-0
Verfasser Wippersberg, Walter Wikipedia
Beteiligte Personen Weber, Andreas Wikipedia
Systematik DR - Romane, Erzählungen, Novellen
Systematik WEB - Importe aus Online-Katalogisierung
Interessenskreis Schüler, Lehrer
Schlagworte Österreich, Politik, Rechtsextremismus
Verlag O. Müller
Ort Salzburg
Jahr 1999
Umfang 248 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Walter Wippersberg
Annotation Ein perfekter politischer Thriller / Walter Wippersbergs »Ein nützlicher Idiot« Ähnlichkeiten mit politischen Praktiken der FPÖ sind weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich — könnte (frei nach Böll) vor Walter Wippersbergs neuem Roman "Ein nützlicher Idiot" stehen. Das Buch ist ein Politthriller der Gegenwart über die Zeit nach Jörg Haider, zugespitzt auf einen Schluß, der bereits am Beginn verraten wird. Daß Wippersberg dennoch ein Buch für eine Nacht geschrieben hat, fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite, liegt an den Figuren und der Geschichte, die mit jenem drive geschrieben ist, der neugierig darauf macht, wie das alles so weit kommen konnte. Mit dem "Verrat" der Tatsache, daß die Hauptfigur Alex Kessler das Ende der Geschichte nicht überleben wird, macht der Autor auf der ersten Seite deutlich, daß es ihm um mehr als die Story eines 25jährigen Traumtänzers geht. Bis zu seinem frühen Tod hat Axel leicht und im Konjunktiv gelebt: Vieles und das eine oder andere Studium begonnen, auf der Reise nach Australien ein Jahr in Zimbabwe hängengeblieben, zurückgekehrt als Niemand mit wenig mehr als Tagträumen von einer Karriere als Rockmusiker, die jetzt im Vorprogramm der Simple Minds beginnen könnte. Bis zum Tourstart jobbt er u. a. als Fahrer und gerät an Frau Dr. Hildegard Beranek-Schnötzinger. Die 50jährige Direktorin eines Gymnasiums hat Deutsch und Turnen unterrichtet, sie ist karenziert, denn sie tritt als Quereinsteigerin für "Die Demokraten" bei den Wiener Gemeinderatswahlen an, vom "Chef" der Partei auf einem fixen Listenplatz gesetzt, nachdem sie ihm bei einer Fernsehdiskussion aufgefallen ist. Die "Bewegung" in der nicht politische Inhalte, sondern "flache Hierarchien" und vor allem der "Chef" wichtig sind, kümmert sich mit perfekter Medienarbeit um Sozialschmarotzer, Ausländer und den Ruf des politischen Gegners, der Erfolg bei den vielzitierten Modernisierungsverlierern und den Anständigen, Ehrlichen und Fleißigen ist überwältigend, der im Roman beschriebene Wahlsieg bekanntlich keine Wahnvorstellung mehr. Das Äußere der Partei ist bekannt: "Alle trugen Sie die Haare sehr kurz, merkwürdig schmal geschnittene Anzüge" alle hatten sie "einen ganz ähnlichen Gesichtsausdruck, harte Entschlossenheit mit infantiler Einfalt gemischt" wahrscheinlich beigebracht in "jenen Schulungskursen, in denen sie auch lernen, so zu reden, bis man den einen nicht vom anderen unterscheiden kann ... Tankwarte in Armanianzügen" steht im Roman, "Buberlpartie" steht über diesen Politikertyp in den Zeitungen. Der offizielle Wahlkampfmanager, auf der Bundesparteiebene mit den Aufgaben eines Zentralsekretärs befaßt, heißt Loitzenthaler, der "Mann fürs Grobe" hört auf den Namen Bruno. Frau Doktor Beranek-Schnötzinger ist eine Dame und "eine Sünde wert", sie lehnt Axel, den "langhaarigen Affen" zunächst ab, doch sie hat das Gespür ihres "Chefs" für Orientierungslose, gibt ihrem Fahrer eine Aufgabe und erstmals in seinem Leben das Gefühl, jemand zu sein; er macht das Organisieren ihrer Termine so gut, daß sie ihm für die Zeit nach der gewonnenen Wahl den Posten des Sekretärs anbietet, eine günstige Wohnung und ein Abenteuer verschafft sie ihm sofort. Der »Verrat" an den Gesetzen der Spannungsschreiberei spricht für die Redlichkeit, mit der Wippersberg sein Anliegen verfolgt - und für sein literarisches Programm: "Ich will eine gute Geschichte spannend erzählen" aber mehr als unterhalten. Dieses "Mehr" enthält das sattsam bekannte Elend der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur: An dem einen Ende des Spektrums der Meinungen steht das Unterhalten Hand in Hand mit dem Anlügen, dem Ablenken von der sogenannten Wirklichkeit, aus der die Realitätsflüchtlinge ins Kino, vor den Fernsehschirm und bekanntlich immer seltener in die Literatur gelockt werden, die in der gegenwärtigen Medienrealität auch im Bestsellerfall ein Minderheitenprogramm für Tausende ist, im Vergleich zur Millionenquote einer einzigen Vera-Sendung, in der vor nicht allzu langer Zeit Jörg Haider samt Familie aufgetreten ist. An dem anderen Ende der Diskussion über die Unterhaltung steht aber nicht das Gegenteil, sondern gar nichts, genauer: Das Nichts, in Form von Experimenten und schmerzender Kopflastigkeit ohne gesellschaftliche Relevanz, vor der dunklen Wand des großen Warum? Doch warum soll jemand in eine Buchhandlung gehen und um sein Geld "Ein nützlicher Idiot" kaufen und zu Hause nach dem Abendessen lesen, während im Nebenzimmer auf 30 Programmen von "Julia" bis "Tatort" und sogar richtige Kunst auf "arte" zu sehen sind. Zumal in der durch TV und Kronen-Zeitung manipulierten Realität der Vera sehende Haider-Wähler nur liest was einen "Sinn" hat: "Die Prophezeiungen der Celestine, Lust statt Frust, Wer spricht hier von Diät?" Dieser Wirklichkeit sitzt Walter Wippersberg gegenüber, mit seinem großen Trotzdem. Er ist ein Schriftsteller, ein Geschichtenerzähler, der nichts anderes tun kann als immer wieder Geschichten zu erzählen, ohne daß er sich vorher ausrechnet, was das alles »bringt« Denn der Gewinn ist nichts, was sich errechnen ließe; vielmehr ist es ein Reden über Literatur, das nicht nur mit Büchern, sondern auch mit der persönlichen politischen Meinung sehr viel zu tun hat. Daß dabei ein Bewußtsein für das Verhältnis zwischen Literatur und der Wirklichkeit jenseits der Buchdeckel entsteht, vor allem für die Mechanismen der wechselweisen Einwirkungen, ist sicher nicht die geringste Leistung eines Buches, das als Grenzstein angreifbar im Raum steht. Hermann Broch hat im Konzept der Ethischen Dichtung eine Literatur beschrieben, die sich nicht im "So-tun, als könnte mit billigen Effekten die außerliterarische Wirklichkeit verändert werden" gefällt; diese "Effektkunst" wäre Kitsch und der verantwortliche Künstler ein schlechter Mensch - eine Haltung, die angesichts von Leute wie ... jeder kennte einige, viel an Kontur gewinnt. Daß Wippersberg seine Geschichten mit mehr als Gefühl für Plotting und Tempo schreibt, macht ihn nicht zum guten Menschen von Losenstein, sondern zu einem jener Schriftsteller, von denen es hierzulande viel zu wenige gibt. Nach "Die Irren und die Mörder" (1998) hat er wieder ein Buch geschrieben, das die gesellschaftliche Wirklichkeit ernst nimmt; der dritte Teil über die linke Reichshälfte fehlt noch, doch die Geschichte eines sozialistischen Politikers aus der zweiten Reihe hat er schon im Kopf. Unbeleckt vom Gerede über die Nichterzählbarkeit der Welt, befindet er sich eher in der Gesellschaft englischsprachiger Erzähler, die mit dem Gegensatz zwischen E- und U-Literatur bekanntlich noch nie etwas anfangen konnten, sondern tun, was Schriftsteller zu tun haben: Geschichten erzählen, die so spannend sind, daß Leute von der Straße in Buchhandlungen gehen und nach Büchern fragen, um sie zu kaufen. *LuK* Andreas Weber
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