Annotation |
Spannend und genau herausgearbeitete Figuren, deren Leben sich an den Klippen des Wahnsinns entlangbewegt. (DR) Nach "Der Fragensteller" (s. bn 6/92) erschien diesen Herbst mit "Kopfständig" das zweite Buch Rudolf Habringers, "Roman in Zusammenhängen" nennt es der Untertitel. Vorerst einmal sind es elf selbständig lesbare Geschichten um elf Zentralfiguren. Zumeist leben sie hinter einer Fassade von Normalität, allen aber ist gemeinsam, daß ihre kopfständige Existenz in die brutale oder absurde Verrücktheit unserer Welt geraten ist. Für manches ist in unserer Gesellschaft bereits ein Begriff gefunden: Bulimie, Gewalt gegen Ehefrauen, Burn-out-Syndrom eines Lehrers oder Mordphantasien eines kleinen Angestellten. Häufiger jedoch als in diesen uns allen schon vertrauten Wahnsinn läßt Habringer seine Figuren ins Absurde kippen: Ein Bauer beginnt, ein Loch zu graben, mit eigenen Händen, Tag für Tag, unaufhörlich. Ein Mann saugt undifferenziert alle ihm zugänglichen Informationen und Sinnesreize in sich hinein, ein anderer geht unauffindbar in einer Bibliothek verloren. - Der Autor zeigt Figuren, bei denen Reden nicht mehr zueinanderführt, sondern Worte und Gesten nur noch die unüberwindbare Distanz zueinander zum Ausdruck bringen. Sie sind Isolierte und manisch Getriebene, die ihre Lebensbeklemmung nur noch mit sich selber austragen können. Es bleibt ihnen so nur noch ein verhaltenes Leiden oder der Schritt in den offenen Wahnsinn als Ausdruck ihres uneingestandenen Schmerzes. - Bei Habringer erkennt man deutlich die knappe und beobachtungsscharfe Handschrift des Satirikers, der seine Figuren oder Situationen nicht durch langes Beschreiben, sondern in wenigen Gesten, Gedanken oder Dialogen klar und deutlich hinstellt. Gerade diese knappe Genauigkeit der Figurenzeichnung ist es, die Habringers Texten ihre Spannung gibt. - Sehr empfehlenswert. *bn* Reinhard Ehgartner |