Annotation |
In den zwischen 1958 und 1968 entstandenen Erzählungen, die in diesem Band versammelt sind, wird die Wirklichkeit demoliert. Sie ist schlecht, gewalttätig, rücksichtslos und kann erst in der Sprache neu, anders, bewohnbarer aufgebaut werden - in einem Erzählton, der, "ohne selbst leuchten zu wollen, die Objekte aufleuchten läßt" (Wolfgang Hildesheimer). Der Bewegungsraum ist - wie für die Gestalten des absurden Theaters - eng geworden, in dieser Enge aber öffnen sich neue Möglichkeiten der Wahrnehmung. So werden die Definitionen von Angst und Widerstand einem verachteten Tier, einer Maus, in den Mund gelegt: "Hier ist wenig Raum, aber Richtungen gibt es, und sie sind unbegrenzt." Unter Hochleitungsdrähten, über verlassene Eisenbahnbrücken, trottet ein grüner Esel: Gegenbild zu einer verödeten Welt. An den Bruchstellen der Wohlstandsgesellschaft, bei Tieren, bei Verbannten ( Herodes ), bei Alten ( Alte Liebe ) und Außenseitern ( Das Milchmädchen von St. Louis ) setzt das Erzählen ein. Eine Wendung, die durch die Genauigkeit in der sinnlichen Wahrnehmung gerade diesen Bruchstellen eine Fülle an Konkretem, an Farbigem, an Lebendigem abgewinnt: Holz, Stroh, Heu, Drähte und Glas werden neu fühlbar. Solche Konkretheit vermag dann auch abstrakte Gefühle wie Angst, Bedrohung, Hoffnung und Liebe sinnfällig zu machen: Mein Vater aus Stroh etwa wird nicht nur zu einer Geschichte über die beiden Wörter "Stroh" und "Eis", sie wird auch zu einer Erkundung der Zärtlichkeit und Zuwendung. Erläutert wird diese Ausweitung sprachlicher Möglichkeiten in Erzählungen über das Erzählen ( Meine Sprache und ich , Die Rampenmaler , Die Schwestern Jouet ), die in der vorliegenden Ausgabe die Sammlung Eliza Eliza von 1965 erweitern. "Tatsache ist, daß Ilse Aichinger mit den herkömmlichen Praktiken des Schreibens endgültig gebrochen hat. Die Phantasie der Dichterin verläßt sich nicht länger auf Visionen, sie besteht auf reiner bodenloser Anarchie." (Heinz Piontek) |