Annotation |
Vom Autor ausgewählte Reportagen und kurze Prosatexte aus den Jahren 1980 - 1996. (DR) Christoph Ransmayr ist einer, der noch ans Erzählen glaubt. "Im Reich der Erzähler bedarf selbst die Erfindung der Welt nur einer Stimme und eines Zuhörers..." sagt er 1996 in seiner Dankesrede anläßlich der Verleihung des Europäischen Literaturpreises "Aristeion". Die Welten, die Ransmayr in seinen Reportagen und kleinen Prosastücken - entstanden in den Jahren 1980 bis 1996 - erfindet, sind untergehende, und die Stimmen, die erzählen, sind zumeist die alter Männer. - Da ist der Bäckermeister und Konditor Karl Piatny, der seine "vergorene Heimat", das Mostviertel, über die Jahrzehnte hinweg auf 8.600 Lichtbildern festgehalten hat. Da ist der Bergführer und Komponist Gottfried Rainer, der den Bau des Kraftwerkes Kaprun in seinem Museum dokumentiert hat und dessen Erinnerungen einen "nationalen Mythos" mit einer ernüchternden Wirklichkeit unterlegen. Da ist Josef Werwein, der 82jährige Schreiner aus Oberbayern, der das Fernsehen "abgeschafft" hat, weil es ihm die Kraft, die Zeit und den Schlaf raubt. - Der Autor läßt sie zu Wort kommen und betreibt damit eine Art der Geschichtsschreibung, die in ihrer beharrlichen Subjektivität so manche "Geschichtsbuchwahrheit" relativiert und in ihrer Konzentration auf Vergangenes und Vergehendes, auf Fremdes und Entferntes den Blick für das Gegenwärtige und Nahe schärft. Erzählen, das heißt hier, den Lauf der Zeit sichtbar machen, Erinnerungen dokumentieren. Der Erzähler als Gedächtnis, der Erzähler als Chronist. Die von Ransmayr selbst ausgewählten Texte sind allesamt meisterhaft komponiert, in einer sorgfältigen, nuancenreichen Sprache erzählt und jeder Bibliothek sehr zu empfehlen. *bn* Christiane Schnalzer |