Annotation |
Drei Freundinnen steuern auf ihrer Reise nach Brügge der Stunde der Wahrheit entgegen. (DR) Sie sind Freundinnen seit der Volksschulzeit: Nora, die gut verheiratete Anwaltsgattin, Claire, die erfolgreiche Geschäftsfrau, und Dodo, die sich mit Gelegenheitsjobs, wechselnden Männerbekanntschaften und als allein Erziehende durchs Leben schlägt. Seit vielen Jahren machen sie jährlich eine gemeinsame Reise. Diesmal geht es ab nach Brügge. Bereits das Wetter spricht gegen ein Gelingen, und so korrespondieren der Regen, die Kälte und der Nebel mit den schwankenden Gefühlslagen der charakterlich so verschiedenen Protagonistinnen. Was unbeschwert hätte werden sollen, entwickelt sich hin zu einer Aufdeckung der Lebenslügen, denn hinter der Freundschaft verstecken sich schicksalhafte Verquickungen, tragische Ereignisse und fatale Vertuschungen. Das Autorinnenduo spinnt ein Beziehungsnetz, bei dem jede mit jeder und jede gegen jede agiert, also jede sowohl Opfer als auch Täterin ist. Sechs Tage lang heften sich die Lesenden an die Fersen der so verschiedenen Frauen. Sechs Tage lang erfahren sie aus den je wechselnden Perspektiven der Figuren, was sich ereignet hat bzw. welche Gedanken sich jede Frau über das Geschehen macht. Dabei werden immer wieder Erinnerungen wach und der Wunsch, endlich reinen Wein einzuschenken. Es soll hier nichts verraten werden, aber was als lustige Unterhaltung beginnt, endet in einer nachdenklich stimmenden Lektüre. Schon die Episode mit den Katzenzungen haben alle drei unterschiedlich im Gedächtnis behalten, und so demontieren die beiden Autorinnen nach und nach nur äußerlich harmonische und wohlwollende Freundschaftsbeziehungen. In den Lebensentwürfen der drei Frauen spiegelt sich ein halbes Jahrhundert deutscher (Emanzipations- bzw. Frauen-) Geschichte wider. Eine gut erzählte Geschichte, die Kurzweil und Spannung bietet. *bn* Martina Lainer |